Dienstag, 14. August 2012

Wand Schand


Sie eingehackt bei mir, weil sie sich langweilt und weil das, was bei mir auf dem Rechner passiert, unterhaltsamer ist als Fernsehen, das sie außerdem noch guckt. Er eines Tages auch eingehackt bei mir, weil er kontrollieren will, was läuft zwischen ihr und mir. Nicht viel. Doch diese Suppe wird er uns auch noch versalzen mit seiner Anwesenheit. Und: Er hasst es, was ich über ihn geschrieben habe in meinem Blog. Dass ich dabei seinen Namen nicht genannt habe, den Ort, an dem wir uns befinden, unkenntlich gemacht habe, alles vermieden habe, was ihm schaden könnte, das macht es für ihn nicht besser. Er hasst es, dass ich überhaupt über ihn geschrieben habe. Dass ich ihn gesehen habe mit meinen Augen, beschrieben habe mit meinen Worten. Deshalb zieht er sich nicht zurück, als ich die weiße Fahne schwenke und erkläre, ihn künftig ganz aus dem Spiel zu lassen. Er will mehr. Ich soll streichen, was ich im Blog über ihn geschrieben habe. Diese Forderung spricht er nicht aus. Aber sie ist einer der Gründe dafür, warum er nicht weicht. Solange nicht, bis ich es kapiert habe und tue, was er will. Außerdem muss er mich überwachen, um es rechtzeitig mitzukriegen, wenn ich wieder über ihn schreiben sollte. Damit er sofort einschreiten kann, so wie in den letzten Wochen mit seinen Hackerangriffen. Das ist eine ernste Sache, andererseits ein großer Spaß, einfach nur sein Laptop einschalten zu müssen, um unsichtbar im Leben eines anderen herumschnüffeln zu können. Schreiberleben. Leben eines erfolglosen Schreibers. Egal. Um so mehr gibt es zu lachen, wenn man einen Hang zur Häme mitbringt. Also könnte er sich nicht zufrieden geben mit dem, was er hat, und sich rücksichtsvoll verhalten wie ein Gast, auch wenn er ein ungeladener Gast ist? Warum die Ausbrüche von Hooliganismus? Warum die Verbissenheit, die Feindseligkeit, das Hasserfüllte? – Der Hooliganismus ist vermutlich postalkoholisch, weil er meist samstags auftritt, nachdem er es am Freitagabend hat krachen lassen, wie ich annehme. Doch abgesehen davon habe ich mir seine Feindseligkeit selbst zuzuschreiben. Weil sich in mir eine Verachtung angesammelt hat, die manchmal raus muss, und da ihm nichts verborgen bleibt auf meinem Rechner, bleibt ihm auch die Verachtung, die ich für ihn empfinde, nicht verborgen. 

9.07.
Dann wird aus dem Kampf ein Krieg, wenn sie das will oder er es will, ihr Typ oder Ex-Typ, ohne den sie und ich uns nie begegnet wären und an dem ich vorbei geschaut hätte, wie er an mir, wenn es sie nicht gegeben hätte. Ein Mann ohne Stil und Rock´n´Roll. Und sie eine Frau, die sich einen Mann aussucht, der alles hat, was ein Mann haben muss in den Vorstellungen einer Frau wie ihr, nur keinen Stil und keinen Rock´n´Roll. Beides hatte sie nicht auf dem Zettel stehen, den ihre Mutter ihr mitgegeben hat. Aber deswegen langweilt sie sich. Doch eine Frau, die sich einen Mann ohne Stil und Rock´n´Roll aussucht, wird immer die Frau bleiben, die sich so einen Mann ausgesucht hat. Gleich, was für wilde Wünsche sie hat und was für wilde Spiele sie spielt, sie wird nie zulassen, dass aus den Wünschen und den Spielen Wirklichkeit wird oder man sie im wirklichen Leben verwechselt mit der Träumerin, die sie manchmal sein kann.

20.07.
Er hat es geschafft, mich auszuschalten als Konkurrenten. Nicht mit seinen Versuchen, mich einzuschüchtern. Sondern damit, als was für ein Mensch er sich bei alldem gezeigt hat. Um es so einfach wie möglich zu auszudrücken: Ich möchte nicht mit einer Frau zusammen sein im Sinne von in ihr drin sein, die mit so einem Menschen zusammen war oder ist.

Er müsste ein Buddha sein, um mir das nicht heimzahlen zu wollen. Aber bitte nicht vergessen: Er kriegt das alles nur mit als Lauscher an der Wand. In einer Szene, zu der er sich widerrechtlich Zutritt verschafft hat. Diese Sätze sind nicht an ihn gerichtet. Es ist fraglich, ob sie es je in eine Endfassung schaffen würden. Wären wir miteinander bekannt so wie gute Nachbarn es sind, hätte ich eines Tages zu ihm gesagt: Ich will dir nicht zu nahe treten, aber: den Anzug, den du neulich getragen hast, als ich dich auf der Akazienstraße gesehen habe mit dem älteren Mann, den wirf heute noch weg, den billigen Anzug. Das Sakko ist zu lang, du siehst darin so verwachsen aus, wie du es gar nicht bist. Und dass die eine Hälfte des Rückens zerknittert war und die andere nicht, so etwas Albernes habe ich noch nie gesehen an einem schlechtsitzenden Anzug. - Natürlich ist das nicht alles, was zum Thema Stil zu sagen wäre, aber das Dringendste. Und was den Rock´n´Roll angeht, da gibt es noch ganz andere, die keinen haben. Ach, und wenn alles anders gekommen wäre, wäre es mir sicher egal gewesen, wer wo drin war. Da hätte ich gar nicht daran gedacht.

Aber es ist nicht anders gekommen. Ich schreibe diese Sätze in meinen Textentwürfen, obwohl ich weiß, dass er bei mir eingehackt ist und alles mitkriegt. Wäre ja noch schöner, wenn ich darauf Rücksicht nehmen würde. Also liest er sie. Sie erfüllen ihn mit Hass. Sie bringen ihn dazu, mich noch mehr zu quälen. Meine Verachtung wird noch größer. Es ist ein lautloser Zweikampf. Ihm meine Verachtung zu zeigen, ist die einzige Waffe, die ich gegen ihn habe. Aber damit mache ich alles noch viel schlimmer. Und er verabreicht sich mein Vitriol freiwillig, niemand zwingt ihn in meinen Rechner einzubrechen und die Dateien zu lesen, in denen ich das Gift gegen ihn verspritze.

In Il Principe gibt es eine Stelle, wo Macchiavelli davor warnt, für seine Verhältnisse händeringend davor warnt, einen Gegner in seinem Stolz zu verletzen. Ihr könnt ihn umbringen, wenn es sein muss. Alles könnt ihr machen, was ihr wollt, aber greift ihn nicht an in seinem Stolz. Denn damit erschafft ihr euch einen Feind, der nicht eher ruhen wird, bis er euch oder sich selbst zugrunde gerichtet hat. Niccolò Machiavelli. 

Ich höre immer wieder: Das ist doch eine abgefahrene Geschichte, was du erlebt hast mit dieser Frau. Mach doch da was draus. Einen Plot für einen Film oder einen Roman. - Mal abgesehen davon, dass mich Plots nicht mehr interessieren, die Liebesgeschichte ist zu unübersichtlich als Plotstoff und die weibliche Protagonistin zu diffus als Gestalt. Wenn etwas taugt zu einem Plot, dann ist es der lautlose Zweikampf in dem Hackerszenario. Als Komödie spielbar oder als Drama. Aber – siehe oben – ich interessiere mich nicht mehr für Plots.