Sie
eingehackt bei mir, weil sie sich langweilt und weil das, was bei mir
auf dem Rechner passiert, unterhaltsamer ist als Fernsehen, das sie
außerdem noch guckt. Er eines Tages auch eingehackt bei mir, weil
er kontrollieren will, was läuft zwischen ihr und mir. Nicht viel. Doch diese Suppe wird er uns auch noch versalzen mit seiner Anwesenheit.
Und: Er hasst es, was ich über ihn geschrieben habe in meinem Blog. Dass ich dabei seinen Namen nicht genannt habe, den Ort, an dem wir uns befinden, unkenntlich gemacht habe, alles vermieden habe, was ihm schaden könnte, das macht es für ihn nicht besser. Er hasst es, dass ich überhaupt über ihn
geschrieben habe. Dass ich ihn gesehen habe mit meinen Augen, beschrieben habe mit meinen Worten. Deshalb zieht er sich nicht zurück, als ich die
weiße Fahne schwenke und erkläre, ihn künftig ganz aus dem Spiel zu lassen. Er will mehr. Ich soll streichen, was ich im Blog über
ihn geschrieben habe. Diese Forderung spricht er nicht aus. Aber sie ist einer der Gründe dafür, warum er nicht
weicht. Solange nicht, bis ich es kapiert habe und tue, was er will. Außerdem muss er mich überwachen, um es rechtzeitig
mitzukriegen, wenn ich wieder über ihn schreiben sollte. Damit er sofort einschreiten kann, so wie in den letzten Wochen mit seinen Hackerangriffen. Das ist eine ernste Sache, andererseits ein großer Spaß, einfach nur sein Laptop einschalten zu müssen, um unsichtbar im Leben eines anderen herumschnüffeln zu können. Schreiberleben. Leben eines erfolglosen Schreibers. Egal. Um so mehr gibt es zu lachen, wenn man einen Hang zur Häme mitbringt. Also könnte er sich nicht zufrieden geben mit dem, was er hat, und sich rücksichtsvoll verhalten wie ein Gast, auch wenn er ein ungeladener Gast ist? Warum die Ausbrüche von Hooliganismus? Warum die Verbissenheit, die Feindseligkeit, das
Hasserfüllte? – Der Hooliganismus ist vermutlich postalkoholisch, weil er meist samstags auftritt, nachdem er es am Freitagabend hat krachen lassen, wie ich annehme. Doch abgesehen davon habe ich mir seine Feindseligkeit selbst zuzuschreiben. Weil sich
in mir eine Verachtung angesammelt hat, die manchmal raus muss, und da ihm nichts verborgen bleibt auf meinem Rechner, bleibt ihm auch die Verachtung, die ich für ihn empfinde, nicht verborgen.
9.07.
Dann
wird aus dem Kampf ein Krieg, wenn sie das will oder er es will, ihr
Typ oder Ex-Typ, ohne den sie und ich uns nie begegnet wären und an
dem ich vorbei geschaut hätte, wie er an mir, wenn es sie nicht
gegeben hätte. Ein Mann ohne Stil und Rock´n´Roll. Und sie eine
Frau, die sich einen Mann aussucht, der alles hat, was ein Mann haben
muss in den Vorstellungen einer Frau wie ihr, nur keinen Stil und
keinen Rock´n´Roll. Beides hatte sie nicht auf dem Zettel stehen,
den ihre Mutter ihr mitgegeben hat. Aber deswegen langweilt sie sich.
Doch eine Frau, die sich einen Mann ohne Stil und Rock´n´Roll
aussucht, wird immer die Frau bleiben, die sich so einen Mann
ausgesucht hat. Gleich, was für wilde Wünsche sie hat und was für
wilde Spiele sie spielt, sie wird nie zulassen, dass aus den Wünschen und den Spielen Wirklichkeit wird oder man sie im wirklichen Leben
verwechselt mit der Träumerin, die sie manchmal sein kann.
20.07.
Er hat
es geschafft, mich auszuschalten als Konkurrenten. Nicht mit seinen
Versuchen, mich einzuschüchtern. Sondern damit, als was für ein
Mensch er sich bei alldem gezeigt hat. Um es so einfach wie möglich
zu auszudrücken: Ich möchte nicht mit einer Frau zusammen sein im
Sinne von in ihr drin sein, die mit so einem Menschen zusammen war
oder ist.
Er
müsste ein Buddha sein, um mir das nicht heimzahlen zu wollen. Aber
bitte nicht vergessen: Er kriegt das alles nur mit als Lauscher an
der Wand. In einer Szene, zu der er sich widerrechtlich Zutritt verschafft hat. Diese Sätze sind nicht an ihn gerichtet. Es
ist fraglich, ob sie es je in eine Endfassung schaffen würden. Wären
wir miteinander bekannt so wie gute Nachbarn es sind, hätte ich
eines Tages zu ihm gesagt: Ich will dir nicht zu nahe treten,
aber: den Anzug, den du neulich getragen hast, als ich dich auf der
Akazienstraße gesehen habe mit dem älteren Mann, den wirf heute
noch weg, den billigen Anzug. Das Sakko ist zu lang, du siehst darin
so verwachsen aus, wie du es gar nicht bist. Und dass die eine Hälfte
des Rückens zerknittert war und die andere nicht, so etwas Albernes
habe ich noch nie gesehen an einem schlechtsitzenden Anzug. - Natürlich
ist das nicht alles, was zum Thema Stil zu sagen wäre, aber das
Dringendste. Und was den Rock´n´Roll angeht, da gibt es noch ganz
andere, die keinen haben. Ach, und wenn alles anders gekommen wäre,
wäre es mir sicher egal gewesen, wer wo drin war. Da hätte ich gar
nicht daran gedacht.
Aber
es ist nicht anders gekommen. Ich schreibe diese Sätze in meinen
Textentwürfen, obwohl ich weiß, dass er bei mir eingehackt ist und
alles mitkriegt. Wäre ja noch schöner, wenn ich darauf Rücksicht
nehmen würde. Also liest er sie. Sie erfüllen ihn
mit Hass. Sie bringen ihn dazu, mich noch mehr zu quälen. Meine
Verachtung wird noch größer. Es ist ein lautloser
Zweikampf. Ihm meine Verachtung zu zeigen, ist die einzige Waffe, die
ich gegen ihn habe. Aber damit mache ich alles noch viel schlimmer.
Und er verabreicht sich mein Vitriol freiwillig, niemand zwingt ihn
in meinen Rechner einzubrechen und die Dateien zu lesen, in denen ich
das Gift gegen ihn verspritze.
In Il Principe gibt es eine Stelle, wo Macchiavelli davor warnt, für seine
Verhältnisse händeringend davor warnt, einen Gegner in seinem Stolz
zu verletzen. Ihr könnt ihn umbringen, wenn es sein muss. Alles
könnt ihr machen, was ihr wollt, aber greift ihn nicht an in seinem
Stolz. Denn damit erschafft ihr euch einen Feind, der nicht eher
ruhen wird, bis er euch oder sich selbst zugrunde gerichtet hat. Niccolò Machiavelli.
Ich
höre immer wieder: Das ist doch eine abgefahrene Geschichte, was du erlebt hast mit dieser Frau. Mach doch da was draus. Einen Plot für einen
Film oder einen Roman. - Mal abgesehen davon, dass mich Plots nicht
mehr interessieren, die Liebesgeschichte ist zu unübersichtlich als
Plotstoff und die weibliche Protagonistin zu diffus als Gestalt. Wenn
etwas taugt zu einem Plot, dann ist es der lautlose Zweikampf in dem
Hackerszenario. Als Komödie spielbar oder als Drama. Aber – siehe
oben – ich interessiere mich nicht mehr für Plots.