Mittwoch, 31. Oktober 2012

Verworfen




Geheimer Ort heißt nur, dass von dort nicht gebloggt wird, wenigstens nicht täglich, und auch mal was ausprobiert werden kann und gleich wieder verworfen, ohne dass es erklärt werden muss, wie das jetzt mit der Verachtung und ihrer Heilung in einer Schreibaktion am geheimen Ort, ohne Rücksichtnahme. Huhu! Da werden sie sich aber gefürchtet haben, die Selbstverliebten, als sie das lasen. Keine Sorge. Hat nicht geklappt. Am Ende war es nur wieder eine Verdoppelung des Elends. Meines Elends. Und den Selbstverliebten geht es gut.  

Donnerstag, 25. Oktober 2012

Insgeheimer


... beneide insgeheim alle, die ihre Selbstverliebtheit noch so ungehemmt ausleben können wie sie - ist keine reine Lüge, aber wenn ich nicht gewusst hätte, dass ich es hier richtigstelle, hätte ich es gleich wieder gestrichen. Wieder so eine Zuvorkommenheit gegenüber der Salondame, weil sie eine Salondame ist, und am Ende kriegt sie es gar nicht mit. Aber darauf kommt es nicht an. Ich wollte mich nur nicht so hinstellen, als hätte ich selbst mit all dem nichts zu tun. Wie es nun aussieht, wenn ich bekenne, wie es tatsächlich ist: wie sehr ich sie verachte, die Selbstverliebten, und wie ich meine Verachtung steigern kann zu einem solchen Menschenhass, dass es am Ende gesünder wäre für mich, wieder eine Affäre mit mir selbst anzufangen. So sieht es in Wirklichkeit aus insgeheim. Verachtung. Hass. Haarsträubendes Entsetzen über mich. Und wenn ich endlich mal wieder Spaß haben wollte beim Schreiben, richtigen Spaß, dann würde ich die Königin der Selbstverliebten küren und zur Wahl würden stehen die Salondame und eine Bewerberin, die es einfach nicht verdient hat, dass ich sie da mit hineinziehe, aber sie hätte beste Chancen, am Schluss die Krone auf und die Nase weit vor der Salondame zu haben bei der Kür. Wenn ich mir meine Verachtung für die Selbstverliebten anschaulich machen will, brauche ich mir nur diese Frau vorzustellen, die es aber nun mal nicht verdient hat, dass ich sie benutze, um meine Verachtung anschaulich zu machen und abzureagieren. Wie es auch die Salondame nicht verdient hat. Wie es niemand verdient hat von einem Standpunkt der Korrektheit aus gesehen. Also werde ich es ganz alleine mit mir ausmachen müssen und mich zurückziehen. An einen geheimen Ort, wo es nur mich gibt und meine Verachtung und keine Rücksichtnahme und Heilung vielleicht ... .  

Mittwoch, 17. Oktober 2012

Geplapper

Die Zufallsinstallation am Laternenpfahl in der Innsbrucker Straße ist ein Glücksfall und ich merke es gar nicht gleich. Trete nur im Vorübergehen sachte gegen den Ball. Es ist noch ein Rest Luft drin. Ich passe den Ball mit dem Absatz zurück auf seine ursprüngliche Position und jetzt erst erkenne ich: das ist ein abgewracktes Fernsehgerät, was da liegt, und die weiße Tüte ist vollgestopft mit zerknüllten Verpackungen von einer Pommesbude. Ich mache das Foto und denke: Fastfood, Fernsehen, Fußball. Alles auf einen Blick. Das  ist auch mein Text zu dem Foto. Dazu fällt mir ein, dass am Abend die deutsche Fußballnationalmannschaft im Olympiastadion gegen die schwedische Auswahl spielt. Bei deutsche Nationalmannschaft habe ich die Assoziation: geföhnte Jungs. Das wähle ich als Titel des Blogeintrags. Nachdem ich das so gepostet habe, bin ich unzufrieden. Ich streiche Fastfood, Fernsehen, Fußball, weil man das auf dem Foto ohnehin sieht; die Fastfood-Verpackungen allerdings nicht so deutlich. Es bleiben die geföhnten Jungs und der Hinweis auf das Spiel am Abend. Zu dem Hinweis passt die Assoziation geföhnte Jungs, zum Foto passt sie nicht. Ich mache sie passend, indem ich sie als Frage formuliere: Genug von den geföhnten Jungs? - So lasse ich das über Nacht. Derweil spielen die beiden Mannschaften unentschieden: 4:4. Das Ergebnis und die Umstände, unter denen es zustande gekommen ist, interessieren mich nicht. Ich kann nur die aktuelle Spielergeneration und den Trainer nicht leiden und ich will nicht, dass der Blogeintrag gelesen wird als ein Kommentar zu dem Spiel. Also weg mit geföhnte Jungs und das ist auch deshalb gut so, weil ich will mich nicht beteiligen an der homophoben Polemik gegen das Löw-Team (Schwulen-Combo). Neuer Titel: Länderspiel, dazu der Hinweis auf die Veranstaltung, mehr nicht. Und trotzdem wird der Blogeintrag gelesen werden als Kommentar zum Spiel, dessen verunglücktes Ergebnis ich doch gar nicht kennen konnte, als ich ihn gepostet habe. Was für die Leser nur heißen kann, dass ich hinterher ganz besonders schlau sein wollte. Es wird immer schlimmer. Das Arrangement des abgewrackten Fernsehgeräts mit der Abfalltüte und dem Fußball nun zu lesen als das Statement eines enttäuschten Fans. Ich habe es vermasselt. Ich gebe auf. Ich lasse es, wie es ist. Der Fehler war, dass ich das Geplappere der Assoziationen nicht unterdrückt habe: geföhnte Jungs, der Veranstaltungshinweis, Fastfood ... . Ich hätte einen Titel finden müssen, der nichts mit Fußball zu tun hat. Am besten wäre gar kein Titel gewesen - damit das Foto ungestört seine Geschichte erzählen kann. 

Alternative Aufnahme: 



Sonntag, 14. Oktober 2012

Rücksichtnahme


Vielleicht ist der alte Mann mit dem Knabengesicht auch deshalb so unnatürlich breitbeinig gegangen, weil er eine Windel getragen hat, und so weh hat es getan, weil die Windel scheuerte. Er nur noch Haut und Knochen, sein ganzer Körper in Auflösung. Aber um Besorgungen zu machen in der Kaiser-Wilhelm-Passage, reichte es noch.

In guten Zeiten hatte ich ihn ein paarmal in Begleitung seiner Frau gesehen. Zu erkennen, dass es seine Frau war, alleine schon daran, wie stolz er gegangen ist an ihrer Seite. Wo war die Frau jetzt? Vor ihm gestorben? Noch am Leben, aber noch elender dran als er? Oder hatte sie ihn einkaufen geschickt, damit er einmal raus kommt und nicht immer nur vor dem ausgeschalteten Fernsehgerät sitzt und brütet, brütet, brütet.

Obwohl wir uns über einen Zeitraum von vier, fünf Jahren regelmäßig begegnet sind, im Hallenbad, auf der Straße, beim Einkaufen, ist es nie dazu gekommen, dass wir uns gegrüßt haben. Ich habe es ein paarmal versucht und ihm zugenickt. Aber da hat er ein verschlossenes Gesicht gemacht und sich abgewendet. Er muss in mir etwas gesehen haben, das er ablehnte. Er eine Gestalt wie mit dem Lineal gezeichnet: aufrecht und akkurat. Ich auch aufrecht, doch überhaupt nicht akkurat. Dafür deutlich jünger. Kann sein, dass es nur das war: dass es ihn geärgert hat, dass er vor mir sterben wird. Als es dann so weit war, hätte ich mich am liebsten versteckt vor ihm die letzten beiden Male, da sich unsere Wege gekreuzt haben. Weil ich es ihm lieber erspart hätte, mir zu begegnen in seinem erbärmlichen Zustand. Aber das ist mir erst hinterher eingefallen, dass ich mich vor ihm hätte verstecken können, um Rücksicht auf ihn zu nehmen.

Donnerstag, 11. Oktober 2012

Abriss der Gesellschaft

Wenn sie alles haben, was sie brauchen, und tun können, was sie wollen, dann spielen sie den ganzen Tag an ihren Telefonen herum und den Mann, der ihnen die Dinger angedreht hat, halten sie für ein Genie.

Ginge es um die Oberen und ihre Defizite, hätten wir schon längst gewonnen und der Dichter Goetz könnte jeden Tag ein noch schöneres Liebesgedicht schreiben für Constanze Zegna, die nur so heißt wie ein italienischer Edelschneider, tatsächlich aber so deutsch ist wie der Goetz und als Journalistin auf dem gleichen Pfad des Irrtums wie er, wenn sie meint, das System entlarvt zu haben, nachdem sie einen seiner Macker der Dummheit überführt hat. Auf dem Rücksitz seiner vom Chauffeur gesteuerten Mercedes-Limousine. Und abends geht es zum Ausklang des Interviews in die Paris Bar, wo der Macker weitere Defizite offenbart, indem er von dem teuren Rotwein, den er bestellt hat, nichts versteht. Natürlich macht das mehr Spaß als Recherchen bei den Massen in den zweiten Klassen. Aber machen wir uns nichts vor: Alle Macht und Ohnmacht geht vom Volke aus

Rainald Goetz, Johann Holtrop, Abriss der Gesellschaft, Roman

Montag, 8. Oktober 2012

Oh Superman





Seltsame Art, in einen Montag zu starten: Ich lese die letzten 150 Seiten des Goetz-Buchs in einem Sitz: um es endlich hinter mir zu haben und mich danach gedanklich entfernen zu können. Ja, genau so geschwollen ist es, weil ich auch nichts äußern möchte zu dem Roman, denn dann muss ich es begründen, das ist aber schon unangemessener Aufwand. Also ohne Begründung: Das Buch ist nicht misslungen, es ist schlecht, richtig schlecht, also schlimm und das schon in der Anlage, als der Autor beschlossen hat, ihm aus der Presse bekannte Wirklichkeitsfetzen und in Gesprächen mit einer Hamburger Journalistin abgelauschte Eindrücke zu montieren mit Erfundenem, ohne sich im Klaren darüber zu sein, dass er kein Erfinder ist, auch dann nicht, wenn er noch so viel Fachwissen über Behandlungsmethoden in psychiatrischen Kliniken abrufen kann dank des Umstandes, dass er selbst Medizin studiert hat und mindestens einer seiner Brüder als Mediziner arbeitet. Während er kein Erfinder ist, sondern irgendwie ein Denker von Aperçus zu Themen wie: warum uns der Dreck der Bild-Zeitung Spaß macht. Ich lese täglich Bild.de. Mir macht das keinen Spaß. Und im Goetz-Buch habe ich mehr Dreck gelesen als in einer Woche Bild.de, ich übertreibe - als an zwei Tagen Bild.de. Am Ende lässt er seine Titelfigur Holtrop, die er bis dahin aus der Vita des Bertelsmann-Auf-und-Absteigers Thomas Middelhoff gepuzzelt hat, den Freitod des schwäbischen Unternehmenspatriarchen (Ratiopharm) Adolf Merckle sterben, der sich im Januar 2009 von einem Zug hat überrollen lassen. Und da Rainald Goetz im Kino gewesen ist und Jean Luc Godards Film Pierrot le fou (1965) gesehen hat, in dem der junge Belmondo sich zwei Stränge Dynamit um den Kopf wickelt und anzündet, es sich dann aber anders überlegt und die Zündschnur löschen will, allein vergebens, deshalb ist der Freitod von Merckle-Middelhoff-Holtrop angereichert mit diesem abgegriffenen Slapstick - statt vergeblichem Versuch, die Zündschnur auszutreten, Ausrutschen auf der Schiene beim Versuch, im letzten Moment der Lokomotive auszuweichen. Diese Burleske so oft zitiert und variiert seit dem Pierrotlefou-Missgeschick, dass es gar nicht anders sein kann, als dass sie einem Autor einfällt in dem Moment, in dem er so eine Szene schreibt. Und dann entscheidet es sich, was für ein Autor er ist. 

Sonntag, 7. Oktober 2012

Bewunderer


Am Vortag 53 geworden. Heute Abend feiert er. Sein fünfzehnjähriger Sohn aus Köln ist da. Das jüngste von vier Kindern. Die anderen sind Mädchen. Alle schon volljährig. Zwei Ehen. Jetzt Amanda. Kennt er seit genau einem Jahr. Auf seinem Smartphone zeigt er mir ein Foto des Bildes, das er gerade verkauft hat. Der Sohn horcht auf: Du hast ein Bild verkauft? Der Vater bestätigt es stolz. Mehr Fotos verkaufter Bilder, an den Orten aufgenommen, wo sie jetzt hängen. Die meisten in Köln, wo er herkommt. Der Freundes- und Bekanntenkreis als Markt.


Foto des Hauses in Irland, das einem Freund gehört, dem er im September geholfen hat, es neu anzustreichen. In einer ausgesucht langweiligen Farbe, mit der es genau so gut in Zehlendorf stehen könnte. Aber es steht direkt am Wasser, an einem Süßwassersee, und gleich dahinter ist der Atlantik. Spektakuläre Landschaft, wenn man sie sehen kann und sich der Anblick nicht auflöst in Dunst und Regenwolken wie meistens. Und was ist das? Das ist das Modell eines Filmsets, das ich Amanda zum Geburtstag geschenkt habe. Amanda arbeitet in der Filmindustrie. Ein Filmset! Alleine schon die Idee. Und du hast den gebaut für deine neue Freundin? Aus altem Spielzeug von mir. Ich bin ehrlich platt: Du bist ja ein richtig toller Mann, sage ich. Im Augenwinkel sehe ich, wie sein Sohn aufmerkt und erstaunt zu mir herschaut. Es freut mich, dass er das gehört hat. Der Raum füllt sich mit Gästen. Ich wundere mich über die Freunde, die er hat. Einer ist der mit dem Haus in Irland. Komplimente für Haus und Landschaft. Und was ist in der Flasche, die du mitgebracht hast und es hat so eine exquisite Farbe? Das ist Pflaumenwein. Von ihm selbst gemacht. Gekeltert aus Pflaumensaft. 



Schmeckt so abgefahren wie es aussieht und geht direkt in den Kopf. So köstlich wie gefährlich. Und jetzt ein Foto von dir! Wäre sowieso zu dunkel geworden wie alle anderen Fotos, die ich gemacht habe. Aber er lässt es gar nicht so weit kommen. Reißt einen Arm hoch. Wenn ich ein Foto machen will, dann doch bitte so diskret, dass er es nicht merkt. Und den Puderzucker für deinen Arsch? Geblasen oder gepinselt? Habe ich nicht gefragt. Du bist doch kein Mädchen, habe ich gesagt und das war es dann. Nein, die Mädchenbemerkung hat ihn nicht beleidigt. Er kann was ab. Ich auch. Aber die Stimmung war gekippt. Wer ich bin, wollte er nun wissen. Wer ich in bin in Beziehung zum Gastgeber. Ich krame wortlos eine Visitenkarte aus meinem Mäppchen. Der Gastgeber sagt Blog und erzählt, dass ich schon mehrfach über ihn geschrieben habe. Ich bin ein Förderer von ihm, erkläre ich. Der Gastgeber fügt beschwingt hinzu: Und ein Bewunderer! Ich unterdrücke den dringenden Wunsch, das richtigzustellen. Jetzt keine Bärbeißigkeit. Kein Missklang. Ich habe mich wohlgefühlt in der letzten Stunde. Das will ich ihm jetzt zeigen, wenn ich mich gleich verabschiede. Ich bleibe nie lange. Das muss ich ihm nicht erklären. Das kann er sich bei mir denken. Aber dass er meint, ich sei ein Bewunderer von ihm, da hat er er etwas falsch verstanden. Da gehört schon noch ein bisschen mehr dazu, dass ich jemanden bewundere. So grob wollte ich ihm das nicht sagen. Trotzdem will ich, dass er das weiß.

Mittwoch, 3. Oktober 2012

Brasilien

Hallo.
Er: Hallo.
Seine Freundin grüßt nicht, weil sie gerade ihre Augen nicht von ihm lassen kann.
Er, sowieso schon ein prekärer Gesichtstyp mit einer Tendenz zur Maskenhaftigkeit, ist entweder zu lange in der Sonne gestanden oder hat zu lange auf einer Sonnenbank gelegen. Er sieht völlig entstellt aus, wie er da sitzt mit seiner Freundin vor einem Café.
Da ich die strenge Anweisung habe, mich in den nächsten zehn Tagen nicht kritisch zu äußern, aber auch meine Klappe nicht halten kann, sage ich im Weitergehen: Du bist aber braungebraaannt!
Ja, ich war in Brasilien, antwortet er und sagt das so, als habe er das heute schon öfter erklären müssen.
Oooh! sage ich darauf heuchlerisch anerkennend. Denn die Anweisung, die ich habe, verbietet es mir, so etwas wie Tadel auch nur anklingen zu lassen, etwa indem ich mich jetzt umdrehe und ihn frage, ob während seines Aufenthalts in Brasilien die Sonnenschutzmittel ausgegangen waren. Stattdessen belasse ich es bei dem anerkennenden Oooh! und hoffe jetzt nur, dass ich in den nächsten zehn Tagen nicht vollends zum Heuchler werde. 

Dienstag, 2. Oktober 2012

Schmähung

Grün, du Arschf***er! ruft ein ein älterer Mann mit Hängebauch und schlohweißen schulterlangen Haaren einem Fahrradfahrer hinterher, der rechts abgebogen ist mit Karacho vor der Nase des Mannes, der mit seiner Begleiterin den Fußgängerüberweg überquert hat. Und da sehe ich auch schon den gescholtenen Radfahrer, daran zu erkennen, wie er abbremst und sich umdreht nach dem Mann, der ihn einen Arschf***er genannt hat. Einen Moment lang sieht es so aus, als würde er umkehren und den Mann ansprechen wegen der Arschf***er-Beschimpfung, die er als Beleidigung empfinden muss, ganz gleich ob er passiv oder aktiv praktizierender Arschf***er ist oder nicht. Hätte der Radfahrer kehrt gemacht, wäre ich ihm gefolgt zu dem Mann mit dem Hängebauch. Doch aus den gleichen Gründen, aus denen ich mir nicht vorstellen kann, was der Radfahrer zu dem Mann sagt, wenn er ihn zur Rede stellt, kommt es nicht zum Dialog zwischen den beiden, macht der Radfahrer nicht kehrt und fährt weiter. Langer Kerl mit schon grotesk hohem Fahrradrahmen. So dumm wie lang, denke ich jedesmal, wenn ich einen wie ihn sehe auf seinem großen Fahrrad. Was natürlich ein unhaltbares Vorurteil ist und außerdem vorbeizielt an dem, was passiert, wenn so ein langer Kerl auf seinem Fahrrad um die Ecke brettert, ohne Rücksicht zu nehmen auf Fußgänger, andererseits allerdings auch, ohne sie zu gefährden, weil er von seiner hohen Warte alles überblickt und nur deshalb glaubt, sich über die Verkehrsregeln hinwegsetzen zu können. Da steht er drüber. Weshalb er es normalerweise nicht mitkriegt, wenn einem Fußgänger seinetwegen vor Schreck die Einkaufstüte aus der Hand fällt und empörte Zurufe und Verwünschungen erreichen ihn gleich gar nicht in seiner einsamen Höhe. Wenn sie nicht so schockierend anschaulich und überdies in Straßenverkehrskonflikten so ungewöhnlich sind wie der Gebrauch von Arschf***er in diesem Fall. Insofern hat der Mann auf dem Zebrastreifen alles richtig gemacht. Obwohl ich zugeben muss, dass ich es gut verstanden hätte, wenn der lange Radfahrer den Mann mit dem Hängebauch und den schlohweißen Haaren zur Rede gestellt hätte. Doch was hätte er zu ihm sagen sollen? Nur weil ich die Straßenverkehrsordnung missachte und mich rücksichtslos gegenüber Ihnen verhalte, haben Sie noch lange nicht das Recht, mich einen Arschf***er zu nennen, und zwar ungeachtet dessen, ob ich einer bin oder nicht. Nein, das wusste der Radfahrer von vornherein, dass er so mit einem Mann nicht würde reden können, der ihn einen Arschf***er nennt. Also hat er es gelassen und die Schmähung hat noch eine ganze Weile an ihm genagt. Und auch insofern hat der Mann auf dem Zebrastreifen im Grunde genommen alles richtig gemacht. 

Montag, 24. September 2012

der/das


Der Blog ist umgangssprachlich gebräuchlich, wird deshalb von Duden und Wahrig als zulässige Nebenvariante genannt. Aber korrekt muss es das Blog heißen, weil das WeBLOGbuch. Das Buch.

Klingt nur so affig und ganz besonders affig finde ich es jedes Mal, wenn die perlentaucher-Leute, welche die Korrektheit sowieso schon mit Schöpflöffeln gefressen haben, wieder mal jemanden rüffeln, weil er zu allen seinen anderen Verfehlungen sich an die Umgangssprache gehalten und der Blog geschrieben hat.

In so einer Gesellschaft sich nicht befinden wollen. Deshalb lieber immer weiter der Blog. Mit der Verabredung, wenn sie bei Spiegel Online eines Tages von umgangssprachlich auf korrekt umstellen, dann stelle ich mich auch um. Das haben sie jetzt getan, als sie letzte Woche ihren eigenen Blog angekündigt haben: Ein Blog für den Spiegel. - Als sie letzte Woche ihr  e i g e n e s  Blog angekündigt haben.

Das wird nicht leicht.

Freitag, 21. September 2012

Herzlos?


Der Mann sitzt aufrecht nur mit seinem Rumpf im Rollstuhl. Er hat volles, wellig zurückgekämmtes Haar und sieht damit aus wie aus der Zeit, als Friseure noch heimlich schwul waren. Sein Anblick tut weh.

Als ich auf dem Rückweg noch einmal an ihm vorbeigehe, höre ich ihn rufen: Eine Spende! Eine Spende! - An der linken Armlehne seines Rollstuhls ist ein hellblauer Plastikbehälter mit einer runden Öffnung angebracht. Ich denke keine Sekunde daran, eine Münze in die Öffnung zu werfen, wünsche dem Mann aber von ganzem Herzen, dass er ein Trickbetrüger ist und wenigstens seine Arme geschickt verborgen hält, und wenn er sehr geschickt ist, sogar seine Beine. 

Mittwoch, 19. September 2012

Auszug


Mann zieht nach 52 Jahren aus. In eine kleinere Wohnung. Umzug Anfang Oktober. Seit Monaten legt der Mann im Treppenhaus Sachen hin, von denen er meint, dass ein Hausbewohner sie gebrauchen oder Spaß daran haben könnte wie heute an den kaputten Handpuppen. Die Sachen, die er für uns hinlegt, werden immer älter und die Geste kriegt allmählich etwas Verzweifeltes.



Theresia



Mit herzlichem Dank an Nina für die prompte Zusendung der Bilddatei.

© Nina Röder

Sonntag, 16. September 2012

Goetz


Der Hugendubel-Laden in der Kurve von der Tauentzienstraße zum Kurfürstendamm ist so was von weg, dass ich mir auf einmal nicht mehr sicher bin, ob er wirklich mal an der Stelle war, und ich mich bei dem Mann vergewissere, der eben um sein Kiosk herum gefegt hat und jetzt wieder reingeht. 
Entschuldigung! Kann ich Sie was fragen?
Wenn es schnell geht.
Hier war doch mal Hugendubel.
Ja, ist weg.
Seit?
März.
Danke - und Batsch! - zu die Tür. Das ist sie.


Blöd ist, dass ich mich jetzt nicht in die Lesekoje setzen kann, um in den neuen Roman von Rainald GoetzJohann Holtrop, reinzulesen, womit vielleicht schon klar gewesen wäre, mehr ist nicht nötig, mehr brauche ich nicht zu lesen als 30 Seiten quer. Aber es gefällt mir auch, so anschaulich zu erleben, wie ratzfatz das geht mit dem Wandel - technologisch, ökonomisch, kulturell. Bücher werden weiter gelesen, aber nicht mehr gehandelt in einem Supermarkt wie Hugendubel an dieser Stelle. Schade allerdings um die Einrichtung der Lesekoje. Jetzt muss ich warten, bis der Verbund der Öffentlichen Bibliotheken Berlins liefert. Auf Position 3 bei den Vormerkungen stehe ich. Wenn ich in der Lesekoje herausgefunden hätte, dass der Goetz-Roman das Schlaumeierbuch ist, das wir von ihm erwarten können und sonst gar nichts, hätte ich meine Vormerkung heute noch löschen können. So bleibt es möglich, dass Goetz der große erzählerische Wurf gelungen ist. Grundsätzlich möglich. Denn ein großer erzählerischer Wurf war schon sein erster Roman nicht. Irre war literarisch zurechtgemachte Autobiografie, und als er damals in Klagenfurt daraus las und sich danach die Stirn aufgeschlitzt hat, um zu bluten wie eine abgestochene Sau (aber keine Sorge, der blutende Clown ist Dr. med.), da hat er das auch deshalb gemacht, weil er damit als Preisträger disqualifiziert war, und so frei von dem Makel bleiben konnte, als doppelpromoviertes Wunderkind und bei regulärem Verfahren den Bachmannpreis nicht geschafft zu haben. Also nicht dumm dazustehen wie jetzt, mit dem Makel, es nicht in die engere Auswahl (Shortlist) von sechs Kandidaten für den Deutschen Buchpreis geschafft zu haben mit seinem neuen Roman. Was ihm recht geschieht. Denn was hat er sich auch diesem Wettbewerb gestellt, da er ihn letzten Endes verachten muss? Was hat er überhaupt einen Roman geschrieben, da er als Schriftgelehrter seines Formats weiß, dass das ernsthaft gar nicht mehr geht und dass es schreiberisch / erzählerisch Wichtigeres zu tun gibt für einen wie ihn, wenn auch nicht beim Suhrkamp Verlag. Was natürlich schade ist wegen der Vorschüsse und wegen der schönen alten BRD-Hochkultur. In Wahrheit verachtet er den Deutschen Buchpreis doch auch gar nicht. Und in Wahrheit hat er geglaubt, wenn noch einmal einer den großen gesellschafts- und zeitdiagnostischen Roman packt, dann er mit seinem Systemtheorie-Apparat, mit dem er rumzieht. Mit 58 Jahren immer noch nicht über sein Hörsaalerweckungerlebnis mit Niklas Luhmann hinweg gekommen, wie er von der Universität nie losgekommen ist (meine geliebte Ludwig-Maximilians-Universität). Rainald Goetz, der ewige Student des Literaturbetriebs. Aber niemand war besser als Blogger als er. Klage ist der wichtigste deutschsprachige literarische Text der Nullerjahre. Aber so sehen sie das bei Suhrkamp nicht. Ohne Roman bist du da nichts. Und irgendwann bist du ohne Verlag, weil sie es einfach nicht schnell genug kapiert haben. 


Da war mal Hugendubel.

Donnerstag, 13. September 2012

Dreck

Die Frau mit dem Einkaufstrolley hat gesehen, dass ich die Apotheke und ein paar Schritte weiter die Kneipe fotografiert habe, und jetzt fragt sie mich, was es denn da zu fotografieren gibt. Die furchtbaren Balkone? - Da ich alle Menschen ernst nehme, viele dann aber doch nicht so richtig, antworte ich: Es geht nicht um das einzelne Bild. Das Bild steht im Zusammenhang einer Geschichte, die ich erzähle. Da habe ich nämlich noch vor, die Bildgeschichte über die Kirche von Johann König damit zu beginnen, dass ich das Viertel zeige, in dessen Mitte die Kirche sich erhebt zu ihrer ganzen Scheußlichkeit (ich bin immer noch nicht drüber hinweg). Die Frau fragt mich nicht, was für eine Geschichte ich erzählen will mit den Fotos. Die Frau würde es auch nicht interessieren, wenn ich ihr von Johann König erzählen würde. Und für mich interessiert sie sich nur, weil sie sich bei mir über den Niedergang des Viertels beklagen kann, in dem sie seit 50 Jahren wohnt. 

Der Niedergang kommt daher, dass hier mittlerweile ganz andere Menschen leben als früher. Leute, die ihre Wäsche aufhängen, wo und wie es ihnen passt. Als wären sie zu Hause bei sich in Italien, sagt die Frau. - Dann sind Sie also ausländerfeindlich? frage ich. - Nein, auf keinen Fall ist sie ausländerfeindlich. Aber es kann doch nicht jeder machen, was er will. Wenn sie zurückdenkt, was es früher für strenge Regelungen gegeben hat in der Siedlung. - Ich möchte noch ein bisschen über Fremdenfeindlichkeit reden und die Frau damit quälen. Ich sage, Ausländer zeichnen sich nun mal dadurch aus, dass sie anders sind. - Da lacht sie und sagt vergnügt, das stimmt.

Sie bleibt vor dem Eingang zu einer Wohnanlage stehen. - Wohnen Sie hier? - Nein. Sie besucht ihre Schwester. Hier könnte sie es nicht aushalten. Bei dem Dreck in dem Haus. - Das Wäscheaufhängen. Der Dreck. Die Höflichkeit. Ich kann sie nun nicht einfach stehen lassen, nachdem ich so lange mit ihr geredet habe. Ich erkundige mich, wo sie wohnt. Sie zeigt in die Richtung, aus der wir kommen. Dort gibt es anscheinend nicht so viel Dreck und so ruhig ist es da, dass sie nachts das Schlafzimmerfenster offen lassen kann. - Das heißt doch dann aber auch, dass die Gegend sicher ist. - Nein, das heißt es nicht. Sie hat natürlich die Jalousien unten. Rollläden, meint sie wahrscheinlich. Aber bloß jetzt nichts mehr sagen. Weg, weg, weg! 1961 ist sie in das Viertel gezogen. Wie alt war sie da? Fünfundzwanzig, dreißig? Und mit dem Dreck in dem Wohnblock, in dem ihre Schwester wohnt, ist es so, dass die Hausverwaltung sich nicht um ihn kümmert. Nur wenn man sie anruft. Dann kommt jemand und macht den Dreck weg. Aber kaum ist das geschehen, ist der Dreck wieder da. Da hat sie auch gelacht, als sie das erzählt hat.

Mittwoch, 12. September 2012

Montag, 10. September 2012

Touristen

Eine Freundin ist Anfang 30. Sie hat sich im Mai letzten Jahres von ihrem damaligen Freund getrennt und lebt seither alleine. Fast schon eineinhalb Jahre lang. - Ich bin auch nie von einer Frau zur nächsten gegangen. Ich habe immer eine Zeit gebraucht, um die vergangene Liebe hinter mir zu lassen und wieder bereit zu werden für eine neue Liebe, sage ich. - Das ist bei ihr ganz genauso. antwortet die junge Frau. Wenn sie ihre Freundinnen betrachtet, die jedesmal von einer Beziehung direkt in die nächste wechseln, dann fragt sie sich, ob die sich nicht selbst verloren gehen bei dem, was sie da machen. Nur, weil sie es nicht ertragen, alleine zu sein, oder es für ein persönliches Versagen halten. So jedenfalls will sie nicht leben wie diese Freundinnen. Dass sie dann lieber alleine ist, das sagt sie allerdings nicht. Sie sagt, dass es schwer ist in ihrer Altersgruppe in Berlin einen Mann zu finden. Denn die Stadt ist voll mit jungen Männern aus aller Welt, die angelockt vom Berlin-Hype hierher kommen wegen Spaß und Abenteuer und nach einem halben, dreiviertel Jahr sind sie wieder weg.

Leben in einer Touristenstadt.

Donnerstag, 6. September 2012

Pferde


Sie sind entweder höhere, für mich unerreichbare Intelligenzen oder sie machen immer den gleichen Fehler und tappen Mal um Mal in eine Falle, die ich ihnen gar nicht gestellt habe.

So wie es in der Vorbemerkung steht, wollte ich die vier Text-Collagen behandeln: kurz auf sie hinweisen, und damit gut. Wer den  Blogeintrag von heute dazu  liest oder irgendwann Das Biest soll sterben aufruft, findet die Texte und kann sich überlegen, ob er sie aus Neugier liest oder ob er angesichts der Textmenge meine Warnung nicht lieber ernst nimmt und es sein lässt.

Nun kommt aber niemand anders in Das Biest soll sterben, als über das Posting von heute. Das permanente Das Biest soll sterben-Link am Blogrand von Biest zu Biest ist blockiert. Ich will lieber nicht wissen, ob schon seit längerem; bemerkt habe ich es erst heute. Und nun werde ich natürlich alles tun, um den Lesern Zugang zu dem Blog zu verschaffen. Indem ich immer wieder die Blogadresse nenne, damit sie die in die Suchleiste ihres Browsers kopieren und aufrufen können. Googeln kann man Das Biest soll sterben nicht, weil der Blog so eingestellt ist, dass ihn die Suchmaschinen nicht finden. Daran will ich nichts ändern. Lieber wiederhole ich nun täglich die Adresse: dasbiestsollsterben.blogspot.com  - und damit richte ich eine solche Aufmerksamkeit auf die vier neuen Texte, wie ich es gar nicht wollte, wie ich es auch jetzt noch lieber vermeiden würde, aber das geht nicht, weil die Leute, die mir entweder intellektuell überlegen sind oder es einfach nicht merken, dass sie immer wieder den gleichen Fehler machen, sie lassen mir keine andere Wahl.

Sie hören nicht auf, mir ihren Willen aufzuzwingen. Egos so groß, dass sie vor Kraft gar nicht anders können, als Zwang auszuüben. Jenseits von Falsch oder Richtig. Reiner Wille zur Macht. Nietzsche. Was für ein Jammer, dass es im Straßenverkehr keine Pferde mehr gibt, vor denen niedergekniet und die umarmt werden können. Wenn ich das jetzt auch noch miterleben könnte, wie das jemand macht, ich würde selbst ein Pferd umarmen.

Das Biest soll sterben. - Hier haben sie das Link nicht blockiert. Das Biest soll sterbenDas Biest soll sterbenDas Biest soll sterben. Keine Ahnung, wie das Pferd hieß, das Nietzsche umarmt hat. Friedrich Nietzsche. Der Wille zur Macht. Nicht mehr fertig geworden seine letzte Abhandlung. Nachdem er das Pferd umarmt hatte, war zappenduster.

Sonntag, 2. September 2012

Leer

Mehr noch als Liebe fehlt mir Nikotin.



Ablenkung beim Tango in Friedenau (*).








(*) Tanzeinlage gesehen heute Vormittag bei der Vernissage in der Kunstkammer Friedenau.

Donnerstag, 30. August 2012

Obacht


Kein Einsehen. Kein Rückzug. Sie machen weiter wie bisher, weil sie glauben, dass meine Ankündigungen wie bisher folgenlos bleiben. Sie denken, wenn sie meinen Rechner kontrollieren, kann ihnen nichts passieren. Und sie glauben zu wissen, was ich machen werde, wenn ich wider Erwarten doch etwas unternehmen sollte. Sie fühlen sich sicher. Sie sind überzeugt davon, dass ihnen nichts passieren kann.




Das war mein Fehler. Chaotisches Handeln, weil der Editor des Hosts so kriechend langsam war. Warum? Weil sie da mit drin hängen. Weil  alles, was ich rausgebe mit dem Befehl Veröffentlichen oder Aktualisieren, zuerst über ihr Desktop läuft, bevor es beim Host ankommt. Das haben sie so eingerichtet, damit sie sofort ein Posting, das ihnen nicht passt, stoppen können, bevor es im Blog erscheint. Kontrolle! Das ist ihr Ding. Aber haben sie es zu Ende gedacht? Sie scheinen immer nur in eine Richtung zu denken: wie können sie mich kontrollieren, wie können sie Druck auf mich ausüben? Sie scheinen nicht darüber nachzudenken, wie sie rauskommen aus dem, was sie da angezettelt haben. Sie sehen keine Veranlassung dazu. Heute haben sie eine Unbedachtheit von mir sofort ausgenutzt, um meinen E-Mail-Client zu kapern. Da können sie jetzt also auch rumzaubern, bis es mir gelingt, in einem unüberwachten Moment das Passwort zu ändern. Ich ärgere mich über die Zeit, die mich all das kostet. Sie scheinen mit ihrer Zeit nichts Besseres anzufangen zu wissen.

Mittwoch, 29. August 2012

Tempest

Und wen verkörpert der Mann mit den hochgezogenen Augenbrauen?



Tempest (Sturm) ist der Titel des neuen Albums von Dylan und das hat nichts zu tun mit dem letzten Shakespeare-Stück, dessen Titel The Tempest ist. Auskunft von Dylan selbst. Der Clip erinnert mich so stark an meine jüngste Vergangenheit, dass ich ihn noch gar nicht richtig als piece of art sehen kann und immerzu denke, ja so sind sie: schlecht, schlecht, schlecht.

Sonntag, 26. August 2012

Deaktivieren



Zum Test, ob ich allein bin, schreibe ich seit langem zum ersten Mal wieder am alten Sony und an meinem improvisierten Stehpult. Sie haben einen zweiten Boot Sector angelegt, hat der Freund des Freundes gesagt, der helfen wollte. Hat es so gesagt, als wäre ein zweiter Boot Sector die Schreckenskammer des Hackens. Die betreiben einen Rechner in deinem Rechner. Da kann ich nichts machen. Da müssen die Experten von Polizei oder Geheimdienst ran. Geheimdienst hat nicht er gesagt, das habe ich gedacht und war beeindruckt. Der Rechner im Rechner startet, wenn ich meinen Rechner starte, dazu muss ich nicht online sein. Und online geht der Rechner im Rechner dann von sich aus. Über ein Heimnetzwerk, das sie hinter meinem Rücken betreiben. Auf die Entfernung von zwölf Metern, die zwischen unseren Wohnungen liegt, ist das technisch keine große Sache. Zu berücksichtigen ist nur, dass ein zweiter Boot Sector eine ganz normale Einrichtung ist auf einem Notebook. Die Programmdateien zur Wiederherstellung werden damit gestartet, erklärt mir Niklaus, der mir seit Jahrzehnten bekannte Aristoteliker, Opernkritiker und Linux-Prophet. In letzterer Eigenschaft ist er bei mir zu Besuch. Es ist mir nämlich nicht gelungen, eine CD mit der Linux-Distribution Ubuntu auf dem alten Sony zu booten, um damit Windows zu ersetzen und zugleich den ganzen dort verbunkerten Bösen-Buben-Kram loszuwerden. Aber dann schafft Niklaus es auch nicht, kennt das allerdings schon, dass es erst mal nicht klappt, die Linux-Installations-CD auf einem Windows-Rechner zu starten. Und als ich sage, dass die Hacker ein Heimnetzwerk hinter meinem Rücken betreiben, da guckt er einen Moment lang so, als wolle er mir diesen Blödsinn auch noch ausreden wie zuvor den mit dem Boot Sector. Doch dann sagt er nur: Da musst du eben alle Netzwerkkarten deaktivieren. Du willst das Sony doch sowieso nur noch als Schreibmaschine nutzen. Ich bestätige das und bin verblüfft, dass es so einfach sein könnte. Und er sagt, lass uns das gleich mal machen.

Das war gestern Abend. Jetzt ist heute Mittag. Und vorhin sah es schon wieder so aus, als hätte alles nichts genutzt. Für Niklaus würde das dann bedeuten, dass wir es mit Metaphysik zu tun haben, wie er lachend meinte gestern, nachdem wir die Netzwerkadapter abgeschaltet hatten. Denn physikalisch ist es unmöglich, dass der Rechner jetzt noch Daten senden oder empfangen kann. Ich nehme das nicht so streng. Wenn ich einen Vodoo-Hintergrund aufdecken würde und daneben läge ein Zettel mit Anweisungen, wie man den Zauber deaktiviert, ich würde es sofort machen. Physik oder Meta-physik: Bevor ich hier nicht eine Woche ohne Eingriffe von außen schreiben konnte, glaube ich gar nichts und an dem Rechner, mit dem ich ins Internet gehe, hänge ich sowieso weiter am Jojo der zwei Hacker. Ein Mann und eine Frau. Ich habe mich nun so viel mit ihm beschäftigt. Es ist an der Zeit, auf sie zurück zu kommen, um endlich zu erzählen, wie alles angefangen hat: mit einer taubenblauen Badekappe und ihrem Eingehacktsein bei mir. Aber wäre es nicht besser, wenn ich aufhören würde, mich mit dem Thema zu beschäftigen? Wäre es nicht besser, wenn ich das, was ich mir so sehr wünsche - dass es endlich aufhört, was vor mehr als drei Jahren angefangen hat -, wenn ich das antizipieren würde, indem ich aufhöre, daran zu denken und darüber zu schreiben, es mir erklären zu wollen, indem ich es mir immer wieder vergegenwärtige? Dann also keine Collage aus Erinnerungen und Gedanken? Ich muss Opfer bringen; nicht als Angebot an die Hacker, als ein Angebot ans Leben. Aktion innerer Friede (peace of mind). Gestützt auf die ehrenwerte Überzeugung, dass alles nur von mir abhängt. Schön wär´s. Realitätsnähere Möglichkeit: Ich gehe von hier weg. Wüsste ich, wohin, ich hätte es schon längst getan. Dritte 
Möglichkeit: die harte Tour. Wenn sie nicht aufhören, wenn alles nichts nützt, werde ich nicht drum herum kommen. Ich kann es eigentlich auch kaum erwarten, damit loszulegen. Wenn es nur nicht so gefährlich wäre! Weil er, der Mann von den beiden, nun mal kein berechenbarer Gegner ist: zu jäh, zu sehr von sich überzeugt. Das Szenario ist jedenfalls, dass er vor mir steht mit erhobenem Arm, einen Stein in der Hand hat und mich damit bedroht. Die harte Tour ist, dass ich auf einmal auch einen Stein in der Hand habe und ihn nun auch bedrohe. Damit konnte er nicht rechnen und es ist ein richtig ekliger eckiger, scharfkantiger Stein. Da muss er sehr stark sein in dem Moment und besonnen, um das Richtige zu tun. Wenn er durchdreht, weil er in Panik gerät, oder zu wütend wird, weil er glaubte, nur er könne böse sein, dann gibt es ein Gemetzele. Das ist das Gefährliche an der harten Tour. Deshalb sollte ich doch lieber darauf verzichten, obwohl es das wirksamste Vorgehen wäre, um endlich diesen schon viel zu lange sich hinziehenden Konflikt zu beenden. Aber vielleicht würden sie das ja auch gerne tun. Und vielleicht sind sie sogar schon dabei sich zurückzuziehen. Das merke ich in den nächsten Tagen. Der Rückzug müsste dann allerdings vollständig und unumkehrbar sein. Das merke ich auch, ob er vollständig ist und unumkehrbar, heißt: dass sie ihre Infrastruktur aufgeben, die physische  u n d  die metaphysische. Sie wissen schon, wie ich das meine.

Samstag, 25. August 2012

Collage




Wenn es kein Plot sein soll und die Geschichte im Grunde genommen gar keine Geschichte ist, weil nicht genug passiert ist, was soll es dann sein? Eine Drift? Text, wie er entsteht beim Drauflosschreiben (Treibenlassen und Getriebenwerden)? Das ist mir zur Zeit verwehrt. Was kann es sonst noch sein, wenn kein Plot und keine Geschichte? - Eine Collage. Montiert aus Notizen und Skizzen, wie ich sie nun eben handschriftlich machen werde oder verfasse für den Blog. - Raus! Raus! Raus! Endlich wieder den Kopf frei kriegen. Mit Verdrängen und Vergessen geht das nicht bei mir. Ich muss meine Erinnerungen ausbreiten und durcharbeiten mit meinen Gedanken. Bis alles gesagt ist. Vorher gibt es keine Ruhe. Und am schlimmsten sind die Gedanken. Am wenigsten zu gebrauchen. Aber sie machen den größten Lärm.

Mittwoch, 22. August 2012

Erleichterung


Zeige jemand meine Wohnung, um ihm eine Vorstellung davon zu geben, in welcher räumlichen Nähe sich das abgespielt hat, was zu dem Hacker-Schlamassel führte. Ein klassischer Nachbarschaftskonflikt war das und ist es immer noch, der Konflikt so alt wie die ersten Siedlungen und gegangen ist es dabei, worum es auch in Primatenhorden ständig geht: Ein Weibchen hat zu lange ihren Blick auf einem Männchen verweilen lassen. Das Männchen hat sich ermutigt gefühlt, ist in das Revier eines anderen Männchen eingedrungen. Das andere Männchen hat sich das von dem eingedrungenen Männchen nicht gefallen lassen, es hat ihm die Grenzen gezeigt. Natürlich ist so etwas unangenehm, aber beklagen darf sich das eingedrungene Männchen nicht. Es hätte den Kampf um die Gunst des Weibchens auch gewinnen und mit dem Weibchen fliehen können. Doch das Weibchen, nachdem es eine Zeit lang dem Eindringling zugeneigt zu sein schien, hat sich für das andere Männchen entschieden. Der Eindringling hat sich darauf zurückgezogen, er hat seinen Schmerz in die Nacht gerufen und gut. Aber nicht so im Fall von mir und dem Mann auf der anderen Seite der Straße. Er kann einfach nicht aufhören. Und woran liegt das? An der Virtualität? Am Internet und seinen Mitteln, die zu verführerisch sind, um sie liegen zu lassen? Oder kommt er über eine Kränkung nicht hinweg, eine narzisstische, die ich ihm zugefügt habe, oder eine Liebeskränkung, die er erlitten hat, weil er mich zwar in die Flucht schlagen konnte, aber das Weibchen hat ihn später dennoch verlassen? Und den Schmerz ruft er nicht in die Nacht, wie ich es getan habe, er reagiert ihn ab an mir? Alles nur Vermutungen. Sicher ist nur: er kann nicht aufhören. Er findet nicht heraus aus dem Konflikt, der schon lange ausgetragen ist. He can´t get no relief. Er findet keine Erleichterung. Es muss ihm jemand dabei helfen. Aber so lange er nicht sagt, was mit ihm ist, kann ihm niemand helfen.

Dienstag, 21. August 2012

Wiederherstellung


Leute, die auf Darmspülungen abfahren. Leute, die auf Wiederherstellungen abfahren. Zurücksetzen eines Rechners auf die Werkseinstellungen. Vollständige Wiederherstellung. Ich mache es gleich zweimal heute, weil ich beim ersten Mal nicht fix und koordiniert genug war im Deaktivieren von allem, was auf dem Rechner Bluetooth heißt. Für mich das Haupteinfallstor der Hacker. Vielleicht täusche ich mich. Dann ist es reines Vodoo, was ich da treibe. Aber vielleicht hilft auch das. Vielleicht hilft sogar nur das gegen die technologische Übermacht der Eindringlinge. Der Feind kommt in eine leere Stadt. Was haben sie von ihrer Herrschaft, wenn nur mehr das Nötigste passiert auf meinen Rechnern, weil ich nicht mehr bereit bin, die Gegenwart der Eindringlinge hinzunehmen beim Schreiben. Zwei Hacker, eine Frau, ein Mann. Ihre Gegenwart meist zurückhaltend, Eingriffe von ihr nur ausnahmsweise, dann aber derb und heftig. Während er sich von Anfang an gespreizt hat im Szenario, so wie er es vermutlich auch sonst tut. Nichts ausgelassen hat er, um mir zu zeigen, dass er da ist, und als Korrektor und Lektor hat er sich aufgespielt, der Vollblutpädagoge. Mir soll es recht sein, wenn jemand kritisch mitliest, habe ich zuerst gedacht, als ich noch meinte, das muss ich jetzt aushalten, dass der sich an mir abreagiert, denn ich habe es zuvor auch nicht gut gemeint mit ihm im Blog. Aber dann kriegte er einfach nicht genug und mir wurde klar, der hört von alleine nicht auf. Da stehen wir. Ich nehme das Eingehacktsein von ihm nicht mehr hin - und ihr Eingehacktsein auch nicht (*) Während die beiden nicht daran denken, sich zurückzuziehen. Warten wahrscheinlich darauf, dass ich mich wieder einkriege und zu meiner bisherigen Nachgiebigkeit zurückfinde. Das ist jetzt der nächste Schritt: dass sie erkennen müssen, dass sie mit ihrer Sturheit nichts mehr erreichen. Dass sie hier nur noch mitkriegen im Entwurf, was später auch im Blog steht, und dass es das andere, das tägliche Drauflosschreiben nicht mehr gibt, so lange sie ihre Belagerung fortsetzen. Dass sie künftig wie jeder andere auch die Endfassung abwarten müssen, die ich nach vielen Überabeitungen rauslasse. Oder dass sie von dem Text nie erfahren werden, weil ich es lieber für mich behalte, was beim Drauflosschreiben entstanden ist. Es ist so ein intimer Vorgang, das Drauflosschreiben, und ohne Intimität geht es nicht. Es ist wie Sex. Alles muss erlaubt, alles muss zugelassen sein. Schamlosigkeit,  Hemmungslosigkeit. Und das jetzt bitte mal vorstellen: Da wollen die zwei also unbedingt dabei sein. Sie aus Vergnügungssucht und aus Neugier. Er letzten Endes nur, um die Intimität zu zerstören und mir die schreiberische Freiheit und Unbefangenheit zu nehmen. Denn sonst würde er sich nicht so aufspielen, wenn er bei mir eingehackt ist, damit es mir bloß nicht entgeht. Deshalb pfuscht er im gerade geschriebenen Text herum. Löscht Wörter oder verdreht Buchstaben, entstellt den Sinn von Sätzen. Scheint eine Neigung zu schülerhaftem Nonsens zu haben, verfolgt damit aber ganz kalkuliert das Ziel, mich abzulenken, meinen Schreibfluss zu hemmen. Das ist keine Interpretation. Eingriffe von ihm mit dieser offenkundigen Absicht habe ich unzählige Male erlebt. Und das ist es, was ich nicht mehr hinnehme. Davon abgesehen, dass ich die Anwesenheit seines miesen Charakters nicht mehr ertrage. Soll er da bleiben, wo er mit seinem Charakter erfolgreich ist, und mich nicht zwingen, mich mit ihm zu befassen. Denn das könnte schmerzhaft für ihn werden. 

(*) Ich mache da keinen Unterschied mehr. Das war einer meiner großen Fehler, die Unterscheidung guter Hacker, böser Hacker zu machen. Es gibt nur eine Art von Hackern. 

Montag, 20. August 2012

Drohung





Gestern hätte es auch sein können, dass ich vergessen hatte, mich abzumelden beim Host. Aber heute passe ich auf und es ist zweifelsfrei: nachdem ich mich heute Morgen abgemeldet hatte mit meinem neuen Google Account, haben sie mich wieder angemeldet. Das heißt, sie haben in etwas mehr als einer Woche das 19 Buchstaben umfassende Passwort geknackt und damit haben sie auch die Verfügungsgewalt über meinen neuen Blog. Sie können ihn löschen, sie können ihn in Ruhe lassen, sie entscheiden das. Ich möchte kotzen, wenn ich daran denke, und nach der Entdeckung, dass sie das Passwort haben und dass das ihre neue Droh-Masche ist, mich anzumelden bei meinem Account, sackt mir für die nächste Stunde die Stimmung weg. Ich kann es nicht ändern, obwohl mir klar ist, dass ich damit reagiere, wie sie es sich wünschen. 10 Uhr Stimmungsverfall. Im Kreis sich drehendes Nachdenken über die Arschlöcher und was ich mit ihnen machen sollte, wenn ich mich dazu entschließen könnte, in einen Wettbewerb der Arschlöcher zu treten mit ihnen. Und was mache ich jetzt mit dem geknackten Passwort und dem anderen Passwort für den anderen Account, das sie auch kennen? Wenn sie das Passwort mit den 19 Zeichen geknackt haben, knacken sie jede Zeichenkombination. Passwörter mit mehr als 12 Zeichen gelten als sicher. Wegen des Zeitaufwands, der nötig ist, um die Zeichenfolge durch Ausprobieren am Rechner herauszukriegen. Ausgeschlossen, dass sie es mit Ausprobieren geschafft haben. Aber wie dann? Es interessiert mich nicht. Es deprimiert mich. Die Vorstellung, wie sie das alles besprechen und planen und durchziehen und ein Ziel verfolgen, das ist, mich mürbe zu machen. Es ist ihnen schon beinahe gelungen. Kein Vormittagsschreiben gestern, kein Vormittagsschreiben vorgestern, kein Vormittagsschreiben heute. Worüber soll ich auch schreiben? Über diese Arschlöcher, die nicht viel anderes zu tun zu haben scheinen, als mich mürbe zu machen? Oder darüber, dass ich auf meine innere Stimme hätte hören sollen, die mich ganz früh gewarnt hat. Allerdings nicht vor Männern mit zu kleinen Augen und zu großen Zähnen und Frauen, die ihnen unterworfen sind und agieren wie Außerirdische. Die Warnungen meiner inneren Stimme waren mehr so wie: die ist zu jung für dich, du kannst sie nicht mal zum Essen einladen, du kannst ja nicht mal dich selbst zum Essen einladen, und so eine Frau hat bestimmt einen Freund, wenn sie nicht lesbisch ist. Also mach dich nicht unglücklich, vergiss sie! - Das die Warnungen. So harmlos. So drollig. Meine innere Stimme so einfältig wie ich und das Gejammere jetzt groß. Aber lieber das Gejammere, als in den Arschlochwettbewerb einzutreten. Gestern, das war ein Friedensangebot von mir. Haben sie gar nicht mitgekriegt. Oder sie lehnen es ab. Ich ziehe die drei Gedenktage trotzdem durch. Und vielleicht schaffe ich es morgen dann auch mal zu schweigen.

Sonntag, 19. August 2012

Frevel Schwefel

Es sind nicht viele Leser, die sich für den neuen Blog interessieren. Mir ist auch klar, warum: Was ich hier protokolliert habe, ist blutleer und langweilig. Ich würde auch am liebsten sofort aufhören damit, eine Pause einlegen, um eine Zäsur zu markieren und mich danach in diesen Blog reinzuschreiben, so wie ich es mir vorstelle. Oder zu erleben, dass das nicht funktioniert, was ich mir vorgestellt habe, als ich zum ersten Mal gedacht habe, ich will einen Blog haben, der einfach nur gensheimer heißt und das ist es auch, worum es darin gehen soll. Jedenfalls ist es das, was ich mir unter Abenteuer vorstelle. Etwas zu wollen und es zum Klappen zu bringen oder es nicht hinzukriegen, aber dabei etwas über mich zu erfahren aus dem Wunsch, den ich mir nicht erfüllen konnte. Jedenfalls ist das Abenteuer nicht dieses verkniffene Geraufe, das sich hier zur Zeit ereignet. Kein Tag ohne ein Vorkommnis, das darauf zielt, mich zu verunsichern, mich einzuschüchtern, mich dazu zu zwingen, mich mit den Hackern zu beschäftigen, und mich so davon abzuhalten, über etwas anderes zu schreiben. Dabei, so viel aufregender ist das auch nicht, worüber ich nicht schreiben soll. Für sie ist es aufregend, weil sie Angst haben davor, dass ich es erzähle. Es wird mir selbst schon ganz beklommen, wenn ich daran denke. Quatsch! Komödienstoff ist es, zutiefst menschlich, kein Skandal des Menschlichen. Niemand hat sich blamiert. Niemand wurde bloßgestellt. Trotzdem soll jetzt nicht mehr sein, was einmal war. Sünde, Frevel, Schwefel, Verdammnis. Manchmal meine ich, Weihrauch zu riechen. Fegefeuer in Ingolstadt. Anwesenheit von Katholizismus. Keine Ahnung. Manchmal stelle ich mir auch vor, so muss es sein, wenn man sich mit Scientologen anlegt. Sicher ist nur eines, sie haben vor etwas Angst und mit ihrer Angst quälen sie mich. Wovor ängstigen sie sich? Ich kann mir alle möglichen Gründe ausmalen, täglich neue, aber letztlich kapiere ich es nicht. Es ist mir rätselhaft wie alles, was mit den Personen der beiden Hacker zu tun hat. Ich verstehe sie nicht, sie verstehen mich nicht, sonst würden sie sich nicht so anstellen und diesen Aufriss machen, in der jetzigen Zuspitzung schon seit Anfang Juli. Am besten wäre es gewesen, wir drei wären uns nie begegnet.

Die Geschichte ist zu Ende erzählt. Jeder kann sehen, wie sie ausgegangen ist. Jetzt fehlt noch ein Schluss. Letzte Worte. Letztes Bild. Oder einfach nur Schweigen. Blende. Drei Tage Gedenken. Oder auch nicht. Schluss.

Samstag, 18. August 2012

Geschlossen

Bei Video World in der Hauptstraße haben sie vor kurzem die Erotik-Abteilung geschlossen. Es lohnte sich einfach nicht mehr, da die meisten Pornokunden sich mittlerweile im Internet versorgen. Ich habe heute den Ordner Eigene Pornos von der Festplatte meines alten Samsung-Rechners gelöscht. Das bei mir eingehackte Publikum soll sich künftig wie andere Pornokunden auch auf den legalen und illegalen Download Websites versorgen.

Freitag, 17. August 2012

Mäuschen

Und was macht sie da? Sie fotografiert jedes einzelne Exponat. - In der Phase des Entwurfs habe ich ich die beiden Sätze noch nicht verteilt auf drei Zeilen. Die Sätze stehen noch zusammenhängend in einer Zeile. In dieser Zeile bewegt sich der Cursor plötzlich zuerst eine dreiviertel Zeilenlänge nach rechts und dann wieder zurück, eine halbe Zeilenlänge nach links. Ohne mein Zutun bewegt sich der Cursor. Wie ein Mäuschen huscht in Trippelschritten. Das sieht lustig aus. Ist es aber nicht. Und mir fällt die Szene mit dem italienischen Koch ein, der mit einem großen Messer Gemüse in kleine Würfel zerhackte, als auf einmal an der Wandseite der Arbeitsplatte ein Mäuschen vorbei huschte. Da hat er ansatzlos mit dem Messer zugehauen. Keine Szene aus einem Film. Ich habe das selbst erlebt, aus nächster Nähe, vor langer Zeit. Wäre es eine Szene aus einem Film gewesen, hätte der Koch getroffen und die Kamera hätte eben nicht so nah rangehen dürfen an das blutige Gematsche, das von dem Mäuschen übrig geblieben ist. In der Wirklichkeit hat der Koch das Mäuschen aber verfehlt und was wir hörten, war nicht sein Todesschrei, sondern ein Panikschrei.

Donnerstag, 16. August 2012

Arschlochhausen

Willkommen in Arschlochhausen. Das Hochfahren des Rechners dauert viermal so lang wie es sein sollte bei den schnellen neuen Prozessoren, mit denen der Rechner ausgerüstet ist. Wenn ich den geschwinden Chrome-Browser starte, mutet es an, als wisse er noch nicht, soll er oder soll er nicht, und müsse erst mal nachfragen. Dieser Screenshot wurde gestern Abend um 22.37 Uhr gemacht. Ihr könnt sehen, dass ich beim  neuen Blog mit der neuen Benutzeroberfläche von Blogger arbeite.


Aber die neue Benutzeroberfläche ist nicht der Punkt. Der Punkt ist, dass ich den Screenshot nicht selbst gemacht habe. Der Punkt ist, dass mir damit gezeigt werden sollte: Wir können auch auf deinem neuen Rechner machen, was wir wollen. Und egal, wie viele Schlupflöcher du noch schließt und Treiber und Dienste löschst und deaktivierst, du kriegst uns nicht los. Egal, was du tust, wir sind dabei, wir kriegen es mit. Und die Freude an der Schnelligkeit deines neuen Rechners, die werden wir dir noch gründlich verderben. Gesehen, wie lange es gedauert hat heute, bis die 46 Fotos von deiner Kamera im Bilder-Ordner angekommen waren? Wir werden aus deinem neuen Rechner die gleiche lahme Ente machen wie aus deinem alten Sony. Weil wir sind klein und wir sind mies und wo wir sind, da ist Arschlochhausen.

Mittwoch, 15. August 2012

Unverfroren




Wieder mal der Solaris-Effekt in meinem Leben: Erst denke ich, es sind zwei Penner, dann bemerke ich die Farbflecken auf ihren Hosen. Zwei Arbeiter haben Feierabend. Der mit der Zipfelmütze hockt auf dem Fahrradständer, streckt die Hand aus und lässt sich vom anderen Geld geben. Danach rappelt er sich auf und geht in den vietnamesischen Edeka-Laden. Ich überlege, ob ich mein Fahrrad neben das Fahrrad im Ständer stellen soll oder neben den Ständer. Der dem anderen das Geld gegeben hat, setzt sich an die Stelle auf dem Fahrradständer, wo der andere hockte. Es ist noch genug Platz für mein Fahrrad, aber wenn ich es in den Ständer stelle, ist nicht mehr genug Platz zum Hinhocken für den mit der Zipfelmütze. Ich stelle mein Fahrrad in den Ständer, schließe es ab. Der mit der Zipfelmütze kommt zurück und zeigt seinem Kollegen schon von weitem die zwei Flaschen Warsteiner, die er gekauft hat. Als er mein Fahrrad sieht im Ständer, wird seine eben noch strahlende Miene leidend. Ich beruhige ihn: Ich brauche nicht lange. Mein Fahrrad ist gleich wieder weg. – Da ich nur zwei Sachen kaufe und an der Kasse gleich dran komme, bin ich wie versprochen schnell wieder zurück. Die beiden Männer genießen ihr Bier. Der mit der Zipfelmütze im Stehen, der andere auf dem Fahrradständer sitzend. Noch zwölf Jahre bis zur Rente, sagt der Sitzende zu mir gewandt, während ich mein Fahrrad aufschließe, und dann deutet er auf seinen Kollegen und sagt: Er hat nur noch fünf. – Worauf der mit der Zipfelmütze sagt: Aber ich mache nur noch zwei. Mehr brauche ich nicht. – Die beiden Männer haben den gleichen Akzent. Östlicher Mittelmeerraum, vielleicht Triest. Ich wünsche ihnen Alles Gute und fahre los. Das Hinterrad fühlt sich komisch an. Das Hinterrad fühlt sich sehr komisch an. Ich halte an und sehe: der Reifen ist platt. Ich schiebe das Fahrrad zurück zu den beiden Männern. Der mit der Zipfelmütze macht eine Bemerkung zum anderen mit Blick zu mir. Ein kleiner Junge steht vor dem Eingang des Supermarkts und ist gespannt, was ich jetzt mache. Er hat bestimmt gesehen, wie sie mir die Luft aus dem Reifen gelassen haben. Ich sage zu den Männern: Ich war freundlich zu euch. Warum habt ihr das gemacht? – Sie fragen nicht: Was gemacht? Sie beteuern sofort, es nicht gemacht zu haben. Sie hören gar nicht mehr auf zu beteuern, es nicht gemacht zu haben, während ich meine Luftpumpe aus dem Rucksack nehme, um den Reifen aufzupumpen. Die Ventilschraube ist um mindestens drei Umdrehungen aufgedreht. Der mit der Zipfelmütze meint, der Reifen müsse schon vorher platt gewesen sein, immer wieder sagt er das. Und am besten ist, als er erklärt, wenn er das gemacht hätte, dann hätte er aus beiden Reifen die Luft raus gelassen. Ich pumpe und sage nichts. Und je länger ich schweige, desto besser ist es. Ich denke, was für ehrlose Kerle das sind, die so etwas machen und hinterher verstecken sie sich wie kleine Jungs hinter Unschuldsbeteuerungen. Ich bemerke aber auch, wie selbstverständlich ihnen ihr unverfrorenes Verhalten ist. Und das ist der Grund, weshalb ich schweige und weshalb das gut ist. Ich habe keinen Groll gegen sie. Mir ist auch schon klar, dass es um nicht mehr als einen platt gemachten Fahrradreifen geht. Ich wundere mich nur, wie lange es dauert, bis der Reifen aufgepumpt ist. Und dann denke ich, dass ich gerade wieder einen dieser Solaris-Momente in meinem Leben habe. Aber heute ist es nicht lästig oder albern. Denn nun weiß ich, wie ich mich in einem ganz anderen, aber sehr ähnlichen Fall verhalten werde, und dass es gar nicht anders sein kann als so.

Dienstag, 14. August 2012

Wand Schand


Sie eingehackt bei mir, weil sie sich langweilt und weil das, was bei mir auf dem Rechner passiert, unterhaltsamer ist als Fernsehen, das sie außerdem noch guckt. Er eines Tages auch eingehackt bei mir, weil er kontrollieren will, was läuft zwischen ihr und mir. Nicht viel. Doch diese Suppe wird er uns auch noch versalzen mit seiner Anwesenheit. Und: Er hasst es, was ich über ihn geschrieben habe in meinem Blog. Dass ich dabei seinen Namen nicht genannt habe, den Ort, an dem wir uns befinden, unkenntlich gemacht habe, alles vermieden habe, was ihm schaden könnte, das macht es für ihn nicht besser. Er hasst es, dass ich überhaupt über ihn geschrieben habe. Dass ich ihn gesehen habe mit meinen Augen, beschrieben habe mit meinen Worten. Deshalb zieht er sich nicht zurück, als ich die weiße Fahne schwenke und erkläre, ihn künftig ganz aus dem Spiel zu lassen. Er will mehr. Ich soll streichen, was ich im Blog über ihn geschrieben habe. Diese Forderung spricht er nicht aus. Aber sie ist einer der Gründe dafür, warum er nicht weicht. Solange nicht, bis ich es kapiert habe und tue, was er will. Außerdem muss er mich überwachen, um es rechtzeitig mitzukriegen, wenn ich wieder über ihn schreiben sollte. Damit er sofort einschreiten kann, so wie in den letzten Wochen mit seinen Hackerangriffen. Das ist eine ernste Sache, andererseits ein großer Spaß, einfach nur sein Laptop einschalten zu müssen, um unsichtbar im Leben eines anderen herumschnüffeln zu können. Schreiberleben. Leben eines erfolglosen Schreibers. Egal. Um so mehr gibt es zu lachen, wenn man einen Hang zur Häme mitbringt. Also könnte er sich nicht zufrieden geben mit dem, was er hat, und sich rücksichtsvoll verhalten wie ein Gast, auch wenn er ein ungeladener Gast ist? Warum die Ausbrüche von Hooliganismus? Warum die Verbissenheit, die Feindseligkeit, das Hasserfüllte? – Der Hooliganismus ist vermutlich postalkoholisch, weil er meist samstags auftritt, nachdem er es am Freitagabend hat krachen lassen, wie ich annehme. Doch abgesehen davon habe ich mir seine Feindseligkeit selbst zuzuschreiben. Weil sich in mir eine Verachtung angesammelt hat, die manchmal raus muss, und da ihm nichts verborgen bleibt auf meinem Rechner, bleibt ihm auch die Verachtung, die ich für ihn empfinde, nicht verborgen. 

9.07.
Dann wird aus dem Kampf ein Krieg, wenn sie das will oder er es will, ihr Typ oder Ex-Typ, ohne den sie und ich uns nie begegnet wären und an dem ich vorbei geschaut hätte, wie er an mir, wenn es sie nicht gegeben hätte. Ein Mann ohne Stil und Rock´n´Roll. Und sie eine Frau, die sich einen Mann aussucht, der alles hat, was ein Mann haben muss in den Vorstellungen einer Frau wie ihr, nur keinen Stil und keinen Rock´n´Roll. Beides hatte sie nicht auf dem Zettel stehen, den ihre Mutter ihr mitgegeben hat. Aber deswegen langweilt sie sich. Doch eine Frau, die sich einen Mann ohne Stil und Rock´n´Roll aussucht, wird immer die Frau bleiben, die sich so einen Mann ausgesucht hat. Gleich, was für wilde Wünsche sie hat und was für wilde Spiele sie spielt, sie wird nie zulassen, dass aus den Wünschen und den Spielen Wirklichkeit wird oder man sie im wirklichen Leben verwechselt mit der Träumerin, die sie manchmal sein kann.

20.07.
Er hat es geschafft, mich auszuschalten als Konkurrenten. Nicht mit seinen Versuchen, mich einzuschüchtern. Sondern damit, als was für ein Mensch er sich bei alldem gezeigt hat. Um es so einfach wie möglich zu auszudrücken: Ich möchte nicht mit einer Frau zusammen sein im Sinne von in ihr drin sein, die mit so einem Menschen zusammen war oder ist.

Er müsste ein Buddha sein, um mir das nicht heimzahlen zu wollen. Aber bitte nicht vergessen: Er kriegt das alles nur mit als Lauscher an der Wand. In einer Szene, zu der er sich widerrechtlich Zutritt verschafft hat. Diese Sätze sind nicht an ihn gerichtet. Es ist fraglich, ob sie es je in eine Endfassung schaffen würden. Wären wir miteinander bekannt so wie gute Nachbarn es sind, hätte ich eines Tages zu ihm gesagt: Ich will dir nicht zu nahe treten, aber: den Anzug, den du neulich getragen hast, als ich dich auf der Akazienstraße gesehen habe mit dem älteren Mann, den wirf heute noch weg, den billigen Anzug. Das Sakko ist zu lang, du siehst darin so verwachsen aus, wie du es gar nicht bist. Und dass die eine Hälfte des Rückens zerknittert war und die andere nicht, so etwas Albernes habe ich noch nie gesehen an einem schlechtsitzenden Anzug. - Natürlich ist das nicht alles, was zum Thema Stil zu sagen wäre, aber das Dringendste. Und was den Rock´n´Roll angeht, da gibt es noch ganz andere, die keinen haben. Ach, und wenn alles anders gekommen wäre, wäre es mir sicher egal gewesen, wer wo drin war. Da hätte ich gar nicht daran gedacht.

Aber es ist nicht anders gekommen. Ich schreibe diese Sätze in meinen Textentwürfen, obwohl ich weiß, dass er bei mir eingehackt ist und alles mitkriegt. Wäre ja noch schöner, wenn ich darauf Rücksicht nehmen würde. Also liest er sie. Sie erfüllen ihn mit Hass. Sie bringen ihn dazu, mich noch mehr zu quälen. Meine Verachtung wird noch größer. Es ist ein lautloser Zweikampf. Ihm meine Verachtung zu zeigen, ist die einzige Waffe, die ich gegen ihn habe. Aber damit mache ich alles noch viel schlimmer. Und er verabreicht sich mein Vitriol freiwillig, niemand zwingt ihn in meinen Rechner einzubrechen und die Dateien zu lesen, in denen ich das Gift gegen ihn verspritze.

In Il Principe gibt es eine Stelle, wo Macchiavelli davor warnt, für seine Verhältnisse händeringend davor warnt, einen Gegner in seinem Stolz zu verletzen. Ihr könnt ihn umbringen, wenn es sein muss. Alles könnt ihr machen, was ihr wollt, aber greift ihn nicht an in seinem Stolz. Denn damit erschafft ihr euch einen Feind, der nicht eher ruhen wird, bis er euch oder sich selbst zugrunde gerichtet hat. Niccolò Machiavelli. 

Ich höre immer wieder: Das ist doch eine abgefahrene Geschichte, was du erlebt hast mit dieser Frau. Mach doch da was draus. Einen Plot für einen Film oder einen Roman. - Mal abgesehen davon, dass mich Plots nicht mehr interessieren, die Liebesgeschichte ist zu unübersichtlich als Plotstoff und die weibliche Protagonistin zu diffus als Gestalt. Wenn etwas taugt zu einem Plot, dann ist es der lautlose Zweikampf in dem Hackerszenario. Als Komödie spielbar oder als Drama. Aber – siehe oben – ich interessiere mich nicht mehr für Plots.

Montag, 13. August 2012

Kein guter Tag ...

... für einen Nachsatz. Kein Nachsatz. Den Text, den ich stattdessen geschrieben habe, gibt es morgen. - (Hör doch auf, Du Knalltüte! - Das an den Hacker, der wieder einmal seinen Humor beweist, indem er geschrieben  zu  geschrien geändert hat. Also statt Text geschrieben habe nun Text geschrien habe. WIEHERNDES GELÄCHTER! Und während ich das hier schreibe, gefällt es ihm, wie ich ihn einbeziehe, und er macht einen seriösen Änderungsvorschlag, indem er seinen bei seinen Humor markiert. Der mir bekannte Einmischungsstil. Soll ich streichen, will er mir damit sagen, so dass es Humor beweist heißt. - Er denkt also, er hat Humor, und deshalb hat er nicht verstanden, dass es sein Humor heißen muss, weil ich damit sagen will, dass Dein Humor ist, dass Du keinen hast. Geschrien statt geschrieben ist nicht witzig, wenn man die zweite Grundschulklasse schon seit längerem hinter sich hat.)

Klaus Karwat von Gondwana schickt diese beiden Abbildungen von zwei neuen Arbeiten Martin Jagodzinskis, die er in seine Sommerausstellung aufgenommen hat.


Nebelwald (60 x 80 cm, Öl auf Leinwand)



Küstenwald ( 60 x 80 cm, Öl auf Leinwand)

Der Auftritt des Hackers ist natürlich nicht geplant gewesen. Ich habe ihn aber nur zu gerne aufgegriffen, weil ich so zeigen konnte, womit ich es hier ständig zu tun habe. Die beiden Abbildungen haben nach der Szene nicht mehr gepasst. Ich habe sie trotzdem stehen lassen, weil sie in der Abfolge zeigen, wie mein Tag war. Nebel gelichtet.


Kunst: © Martin Jagodzinski

Sonntag, 12. August 2012

Narr


Am 28. Juni ging es los mit diesem Textanfang:
Jetzt die Geschichte, die ich nie erzählen wollte, weil ich immer gehofft habe, dass sie weiter geht, dass sie nur ein Anfang ist von einer größeren Geschichte, von der ich mir gewünscht habe, dass ich sie erleben werde. Doch die Geschichte geht nicht weiter. Sie hört aber auch nicht auf, wie es zu erwarten ist, wenn eine Frau und ein Mann es miteinander versucht haben und es ist nichts daraus geworden. Die Geschichte der Contessa. Jetzt die wahre, die tatsächliche Geschichte der Contessa. Wenn ich es schaffe, die andere Geschichte zu erzählen, die Geschichte, gegen die ich mich immer gewehrt hab, weil ich nicht dastehen wollte wie ein Idiot, der sich das alles nur einbildet: Ihr Eingehacktsein bei mir. Das Eingehacktsein ihres Typs oder ihres Ex-Typs. Und wenn sie einen Freund hat oder einen Lebensgefährten oder auch nur ein F**kverhältnis mit ihm oder sie waren einmal zusammen und kommen nicht voneinander los, was wollte sie dann von mir? ( … )

Folgten in den Tagen danach beinahe täglich andere Ansätze. Aber ich hatte einen Plan: die Geschichte, die mich drei Jahre lang beherrscht hatte, schreibend besser zu verstehen und von dem Narr zu erzählen, der ich darin war. Ich, der Narr, die Hauptperson. Sie und ihr Typ in meiner Geschichte nur Nebenfiguren, obwohl es im Leben umgekehrt gewesen war. Die beiden die Hauptpersonen in ihrem Paardrama, ich der Buffo-Charakter, der romantische alte Clown am Rande. Imaginärer Fluchtpunkt für eine sich langweilende Frau. Ich, gut genug für sie, um sich mit mir wegzuträumen. Das Love Interest Dummy, um ihren Typ eifersüchtig zu machen, aber doch nie ernsthaft in Erwägung gezogen. Warum war ich so versessen darauf, diese Geschichte zu erzählen? Je länger ich auf ihr herum schrieb, desto weniger verstand ich mich. Gut möglich, dass ich sie bald aufgegeben hätte: Ich habe genug Scheisse gefressen in dieser Geschichte, ich muss sie nicht auch noch schreibend wiederkäuen. Es hätte natürlich auch sein können, dass beim Schreiben etwas Überraschendes passiert, das über das erlebte Elend hinausführt. Diese Möglichkeit gibt es immer. Deshalb schreiben wir. Aber nichts dergleichen geschah. Stattdessen gab es am 4. Juli eine Hackerattacke, wie es noch keine gegeben hatte. Und es war nicht nötig, mir einen Erpresserbrief mitzuschicken, damit die Botschaft bei mir ankam. Sie drohten mir. Wenn du das veröffentlichst, was du gerade schreibst, machen wir dir deinen Blog platt und das können wir, weil wir das Passwort zu deinem Google-Account haben (zugleich mein Bloghost-Account). Das war der größte Schrecken, den sie mir eingejagt haben: dass nun zweifelsfrei klar war, dass sie mein Passwort haben und ich mit dem Blog ihrer Willkür ausgeliefert bin. Die Demonstration, wie sehr ich ihnen ausgeliefert bin, folgte 14 Tage später, als einer von ihnen mit mir Jojo spielte (siehe Nazi-Jojo). Und das ist nach wie vor der Stand, der Frontverlauf, die Konfliktaufstellung. Sie: Wir hören so lange nicht auf, dich zu quälen, bis du das Projekt aufgibst. Ich: Wie gerne würde ich es aufgeben, aber ich kann mich doch nicht denen unterwerfen. Und wenn ich es täte, wer garantiert mir, dass sie dann wirklich aufhören mit dem Onlinemobbing (Anonym) und nicht die nächsten Forderungen stellen: den Blog zu löschen oder wenigstens die Einträge, in denen er, der Mann mit seiner wichtigen Reputation, vorkommt. Ach, und wenn das geschehen ist, suchen Sie sich bitte noch eine andere Wohnung, die mindestens zehn U-Bahnstationen entfernt ist.

Trotzdem einfach mal mit ihnen reden? Mir mal anhören, was sie sich vorstellen? – Willkommen im Herz der Finsternis. Denn sie beantwortet keine Mails von mir, und wenn sie es täte, würde sie mit Sicherheit daran festhalten, dass sie nicht die ist, für die ich sie halte (Bezaubert). Während er sie gar nicht kennt und auch wirklich nicht weiß, worüber er mit mir reden soll. Doch wenn ich unbedingt will, gerne. Nur um eins möchte er bitten, dieses Mal nicht in seiner Wohnung, sondern irgendwo draußen.

Welche Optionen habe ich noch? – Nachdem ich mir schon so viel Ärger eingehandelt habe mit der Geschichte, mache ich auch weiter damit: keine große Sache, vielleicht nur eine kommentierte Passage durch die Texte, die ich schon habe. Oder ich tue, was ich mir wünsche, seit ich heute im Morgengrauen aufgewacht bin: ich mache mich frei von all dem; ich versenke die Texte in einem Archivordner, ich denke nicht mehr an die Geschichte, ich vergesse all diese Überlegungen und ich ignoriere die Attacken der beiden Hacker – es sei denn, sie treiben es zu toll, dann ich gehe zur Polizei. Was ich nicht gerne täte. Viel lieber würde ich den Fall der beiden der Nemesis überlassen. Nemesis heißt strafende Gerechtigkeit und ist kein antiker Zauber, braucht auch keine Götter, keine hellenischen und keine anderen. Wer lange genug lebt, kann sehen, dass es Nemesis wirklich gibt, als ein Gesetz des Lebens.

Drei Tage Bedenkzeit. Und morgen noch einen Nachsatz.